Glocke-Interview mit Jason Bartsch vor seinem Auftritt im Bürgerkiez
Foto: Zusammen mit Bassist und Gitarrist stellt Jason Bartsch (Mitte) sein neues Album und Programm in Gütersloh vor.
Gütersloh (dop) – Der Mann ist nicht dumm, auch wenn er gern auf der Bühne kalauert. Er ist belesen, wortgewandt und intelligent, ein bekennender Literatur- und Philosophie-Nerd – und er kann über all das auch herzhaft lachen. Die Rede ist von Jason Bartsch.
Vor allem die musikalische Qualität. Da hat sich viel entwickelt. Das erste Album habe ich allein in meiner Küche produziert, habe ihm bewusst einen Trash-Charakter gegeben. Das neue Album ist viel komplexer, die Texte gehen tiefer. Früher habe ich auch alles selbst gemacht, einschließlich Booking und PR. Alles sollte meins sein, meine Handschrift tragen. Jetzt arbeite ich mit zwei professionellen Musikern, Schlagzeuger und Bassist, zusammen. Damit übernehme ich Verantwortung für sie, wobei ich kein Führungstyp bin. Ich arbeite lieber mit flachen Hierarchien. Trotzdem führt einen die Teamarbeit an einen Abgrund.
In ein tiefes, tiefes Tal des Zweifels. Man hat Angst, dass das Programm nicht funktioniert, dass man scheitert, dass das Publikum es nicht versteht oder nicht goutiert.
Meine Wurzeln liegen im Poetry-Slam. Das ist nicht zu leugnen. Dort habe ich viel über Bühnenpräsenz gelernt. Aber zuallererst bin ich Musiker. Wobei das auch zu kurz greift. Ein Phänomen der Moderne ist doch, dass man mehr als nur eine Sache können darf. Ich will die Menschen unterhalten – mit Musik und Texten. Sie sind mir gleichermaßen wichtig. Ich habe viel zu erzählen, Dinge von politischer Natur, aber auch Anekdoten. Das gehört für mich zusammen. Ich will Unterhaltung mit Tiefgang verbinden, klare Kante gegen politische Fehler und Ungerechtigkeiten zeigen, emotionale Probleme aufzeigen und auch kalauern.
Zeitungsberichte, Nachrichten und Bücher.
(lacht): Wenn Sie es nicht weitersagen: „Zen-Buddhismus und Psychoanalyse“ von Erich Fromm. Darin wird so schön erklärt, wie ein überintellektualisierter Kopf wieder emotionalisiert werden kann. Nicht, dass ich das bräuchte. Aber ich habe mich immer schon gefragt, was passiert wäre, wenn die Madeleines (französisches Feingebäck, Anm. d. Red.), denen Marcel Proust in seinem Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zig Seiten widmet, einfach aufgegessen worden wären.
Deutschsprachige und Pop-Musik. Ich liebe Coldplay. Die schaffen es immer, das Positive hervorzubringen. Damit holen sie mich ab und nehmen mich mit.
Nachtragend garantiert nicht. Man kann mit einem klärenden Gespräch alles regeln. Ich denke positiv, aber ich lasse mich nicht blenden. Ich sage und vertrete meine Meinung, ohne verbissen zu sein. Meine Freunde halten mich für empathisch.
Wenn etwas über meinen Kopf hinweg entschieden wird und jede Ungerechtigkeit. Ich wäre vermutlich ein guter Pflichtverteidiger geworden. Auf dem neuen Album gibt es einen Song, der ist mein ganz persönlicher Gegenentwurf zu Innenminister Seehofers verquerem Deutschlandbild. Und mit dem Lied „Marie“ wende ich mich gegen die Reduzierung der Frauen auf Busen und Schönheitsideale.
Ich kenne meinen Platz und meine Reichweite. Und ich bin nicht so naiv zu glauben, dass auf einen Schlag viel passieren kann. Trotzdem werde ich nicht aufhören, gegen undemokratische und entwürdigende Dinge anzugehen.
Ich lese, schlafe und koche gern.
Erdnusssauce – in jeder Variation.