Bürgerkiez-Gesellschaft startet Innovations-Prozess
Zeitgemäßes Konstrukt für Weberei-Gebäude erforderlich
Der Wind pfeift durch die in die Jahre gekommenen Fenster, Mitarbeiter finden keine nach Geschlecht getrennten Toiletten vor, barrierefreie Laufwege stehen nur sehr eingeschränkt zur Verfügung und der Putz bröckelt von den Wänden. Dieses Bild zeichnet das Bürgerkiez-Management vom Zustand des traditionellen Weberei-Gebäudes, das das Kulturzentrum von der Stadt Gütersloh gemietet hat.
Neben diesen Aspekten liegen seit vielen Jahren bauliche, technische und sanitäre Mängel vor, die von den Aufsichtsbehörden mehrfach angemahnt wurden, jedoch bis heute nicht beseitigt sind. „Ein kulturbegleitender Gastronomiebetrieb ist aktuell sowieso wirtschaftlich kaum darstellbar“, betont Gastronomie-Verantwortlicher Andreas Oehme. „Unter den derzeitigen Bedingungen ist er auch niemandem zumutbar. Das Gebäude hat ein gravierendes Problem“, ergänzt der Experte, der verschiedene erfolgreiche Kulturgastronomiekonzepte betreibt.
Die Stadt Gütersloh hatte den für den 2. Januar lange geplanten Sanierungstermin, der große Teile der Weberei über einen Zeitraum von etwa elf Monaten lahmgelegt hätte, kurzfristig abgesagt. Bis heute liegt der Weberei kein verbindlicher Neutermin vor. „Jeder, der sich ich ein wenig mit unserem Geschäft auskennt, weiß, was so eine unplanbare Situation bedeutet. Wir können nur noch auf Sicht fahren. Das widerstrebt absolut unserem unternehmerischen Vorgehen“, betont Oehme.
Die gebäudeseitige Problematik in der Gastronomie hat zugleich gravierende Auswirkungen auf das komplette Kulturzentrum. Die Bürgerkiez-Gesellschaft finanziert das umfangreiche Kultur- und Sozialprogramm sowie die Ausstattung und den Betrieb der Räumlichkeiten zum überwiegenden Teil nicht aus kommunaler Förderung, sondern mit selbsterwirtschaften Mitteln. „Fehlt das Benzin aus der Gastronomie für unseren Sozialkultur-Motor, gerät dieser ins Stottern und kann nicht mehr Vollgas fahren“. Dieses Bild zeichnet Bürgerkiez-Geschäftsführer Steffen Böning. Preissteigerungen hätten in den letzten Jahren schon große Teile der Kulturförderung aufgezehrt. Wenn jetzt noch durch unzureichende Rahmenbedingungen weniger Eigenmittel erwirtschaftet werden können, habe dieses zwangsläufig Auswirkungen auf den möglichen Umfang des Angebotes, erläutert Böning.
Das Management versichert jedoch, dass es auch künftig kulturelle und soziale Angebote sowie Räume weit über das von der Stadt geförderte Maß hinaus anbieten wird, auch wenn es sicher keine „Flatrate für alle Wünsche“ geben könne. Elf Jahre Bürgerkiez-Erfahrung, das kompetente Team und das persönliche Netzwerk werden die finanzielle Stabilität der Weberei auch künftig sicherstellen, untermauern Oehme und Böning. Das große marode Gebäude jedoch weiterhin auch mit eigenen Mitteln einzurichten, auszustatten, instand zu halten, zu säubern und zu sichern, um es den verschiedenen Gruppen und Initiativen im bisherigen Umfang stark subventioniert zur Verfügung zu stellen, könne perspektivisch kein Betreiber leisten. „Es muss sich etwas ändern, damit es so gut bleibt wie es ist“, fasst Andreas Oehme die Situation zusammen.
Modelle in anderen Kommunen zeigten, dass Konstrukte wie das, in dem die Weberei seit über 30 Jahren betrieben werde, nicht mehr zeitgemäß seien. Die Zeiten, in denen sich Sportvereine, Theater und Jugendzentren über Getränke- und Waffelverkauf finanzierten, sind aus verschiedenen Gründen vorbei. Raummanagement für gesellschaftlich relevante Gruppen ist mittlerweile eine essentielle Leistung geworden, für die vielerorts von den engagierten Trägern keine Miete zu zahlen ist, sondern wofür sie Mittel, Personalstellen und betriebsfähige Räume erhalten.
„Unser Vorgehen ist es nicht, auf eine Mauer zuzufahren und zu warten, bis es knallt. Das gab es in der Weberei-Geschichte leider schon häufig genug“, erklären die beiden Geschäftsführer, die das Kulturzentrum so lange führen wie noch kein Management in der 40jährigen Weberei-Geschichte zuvor. Um der Stadt Gütersloh die Möglichkeit zu geben, das Gebäude in einen verkehrs- und konzessionsfähigen Zustand zu bringen und das wirtschaftliche Konstrukt zukunftssicher und betreiberunabhängig auf zeitgemäße Füße zu stellen, hat die Bürgerkiez-Gesellschaft den bisherigen Mietvertrag für das Gebäude mit Wirkung zum Frühjahr 2026 gelöst., um ihn unter dem Arbeitstitel „Sozialkultur 2030+“ zukunftssicher neu aufzustellen. „Der Betriebsauftrag für die sozialkulturelle Arbeit ist von diesen Verhandlungen völlig unabhängig und wird vollumfänglich und vertragskonform weitergehen. Wir sind gerne bereit, mit unseren Erfahrungen aus vielen anderen Städten und Häusern sowie hier vor Ort an diesem Prozess mitzuwirken und uns auch über das Jahr 2026 hinaus für die Sozialkultur in Gütersloh zu engagieren“, verkünden Böning und Oehme. Ob das Webereigebäude dann verpachtet, vermietet, überlassen oder verschenkt wird, muss sich in den nächsten Monaten zeigen. Ein zukunftsfähiges Konzept im Sinne der weit über die Stadtgrenzen hinausragende sozialkulturellen Stärke Güterslohs zu finden, sei jetzt die Aufgabe.